Die Metaphysik (gr. metá = danach, hinter, jenseits und phýsis = natur, natürliche Beschaffenheit) sucht nach den Ursachen und ersten Gründen hinter dem Seienden. Den allgemeinen Strukturen und Gesetzmäßigkeiten. Kurz: nach dem letzten Sinn und Zweck des Daseins.
Die "goldene Regel" ist ein bemerkenswert verbreiteter Grundsatz der Ethik.
Behandle andere so, wie Du von ihnen behandelt werden willst.
Sie ist unter vielen Begriffen bekannt. Am häufigsten unter dem Sprichwort:
Was Du nicht willt, was man Dir tu, das füg auch keinem andern zu.
Allerdings gibt es Entsprechungen in beinahe allen Religionen, Kulturen, Philosphien und Ethiken dieser Welt. Bei Konfuzius, im Buddhismus, im Hindusismus, im Islam, im Christentum, in griechischen und römischen Kulturen, überall finden sich Formulierungen die den Menschen empfehlen sich nicht so zu verhalten wie sie es selber an anderen missbilligen würden. Nicht zueltzt Kant formuelierte seinen allgemeine Imperativ:
Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne.
Das Prinzip kann auch als "gleiches gegen gleiches" ausgelegt werden, und tritt an dieser Stelle in Verwandtschaft mit dem Rechtsprinzip "ius talionis" (eintreiben eines Ausgleich), dem Geschäftsprinzip "do ut des" (ich gebe damit du gibst) oder der sozialen Regel "manus manum lavat" (eine Hand wäscht die andere).
Das Rechtsprinzip ist dabei nicht immer einfach. Prinzipiell soll der Schaden der einem Opfer zugefügt wurde dem Schaden der dem Täter (per Gericht) zugefügt wird entsprechen. Das aufzuwiegen ist in der Regel nicht einfach und stark von der Sichtweise geprägt. Das Geschäftsprinzip ist einfache zu handhaben, ein Handel soll für beide Seiten fair sein. Auch hier kann es durch Mediation notwendig sein einen unparteiischen Dritten einzuschalten, wenn es sich um nicht ganz freiwillige Verträge handelt (bspw. eine außergerichtliche Einigung). Die nachvollziehbarste Form ist die im soziales Verhalten, hier weiß jeder, ein Mensch der nichts gibt ist ein Schmarotzer.
Verallgemeinern lassen sich diese Regeln unter "quit pro quo". Entgegen vieler Vereinfachung wie "gleiches mit gleichem" bedeutet dieser Ausspruch nämlich "dies für das". Da weder "dies" noch "das" in irgendeiner Form spezifiziert sind handelt es sich lediglich um eine Austausch zweier Dinge.
Als Erste Ursache (lat. prima causa oder causa prima, auch: primum movens) bezeichnet man in der scholastischen Philosophie diejenige Substanz bzw. das Sein, auf das alles (andere) Seiende zurückgeht. Weil das nicht aus sich heraus Seiende, d. h. das Nicht-Notwendige (Kontingente) für seine Existenz stets einer Ursache bedarf, müsse es die erste Ursache geben, die absolut oder mit anderen Worten notwendig ist.
Theisten argumentieren, dass diese Erste Ursache mit dem Absoluten, d. h. Gott zusammenfällt. Die Argumentation geht insbesondere auf Aristoteles zurück, der in Buch XII (Kapitel 7. Der erste Bewegende und seine Tätigkeit. 1072 a f.) seiner Metaphysik von einem „ersten unbewegten Bewegenden“ (altgriechisch πρῶτον κινοῦν ἀκίνητον, prôton kinoun akinêton) spricht, und wurde in der Scholastik, vor allem durch Thomas von Aquin, im Rahmen der Natürlichen Theologie weiter ausgebaut.
Diese Argumentation wird in der heutigen Philosophie in der Regel kritisiert. So wird eingewendet, dass sowohl die Möglichkeit unendlicher Kausalketten nicht ausgeschlossen werden könne, als auch die Identifikation einer Ersten Ursache mit Gott fraglich sei.
Was als "Naturrecht" bezeichnet wird, ist notwendigerweise inhaltlich unbestimmt. Denn man kann aus der "Natur" des Menschen, aus angeblichen Ur- oder Idealzuständen der menschlichen Gesellschaft als "Recht" nur das herauslesen, was man zuvor in sie hineingetragen hat.
Weltschmerz ist ein 1823 von Jean Paul geprägter Begriff für ein Gefühl der Trauer und schmerzhaft empfundener Melancholie, das jemand über seine eigene Unzulänglichkeit empfindet, die er zugleich als Teil der Unzulänglichkeit der Welt, der bestehenden Verhältnisse betrachtet. Er geht oft mit Pessimismus, Resignation oder Realitätsflucht einher. In das Deutsche Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm ging es als tiefe Traurigkeit über die Unzulänglichkeit der Welt ein.
Nachträglich wurde der Begriff insbesondere auf eine Geisteshaltung und den ihr entsprechenden literarischen Ausdruck der Romantik (u. a. Joseph Freiherr von Eichendorff, Clemens Brentano, Nikolaus Lenau) übertragen. Heinrich Heine nahm den Ausdruck auf und beschrieb ihn als „Schmerz über die Vergänglichkeit irdischer Herrlichkeit“ und Thomas Mann umschrieb ihn mit „Lebenswehmut“.
Wehmut bezeichnet ein Gefühl zarter Traurigkeit, hervorgerufen durch Erinnerung an Vergangenes.
Der Bezug zu Vergangenem ist vermutlich die einzige Abgrenzung zum Begriff der Melancholie, die sich mit einem eher diffusen Trauergefühl, das die Sinnlosigkeit der Gegenwärtigkeit beklagt, beschäftigt. Bei wehmütigen Regungen hingegen werden nicht notwendig die gegenwärtigen Umstände gering geschätzt; jedoch bleibt die Vergangenheit der Quell bitter-süßer Freude. Kann man Melancholie somit eher als nachdenkliche, teils gar nihilistische Gefühlsregung bezeichnen (siehe auch die genealogische Verwandtschaft zur Depression), ist die Wehmut die emotionalere Vergangenheits- und Gefühlsreflexion, das heißt wehmütige Traurigkeit kann dennoch von Erheiterung und Zufriedenheit begleitet werden.
In Friedrich Kirchner/Carl Michaëlis: „Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe“ von 1907 heißt es zur Wehmut: Wehmut heißt der Affekt der Traurigkeit, der entweder der Erinnerung an eine vergangene Lust, an ein verlorenes Gut oder der Einsicht in die Unmöglichkeit, ein ersehntes Gut zu erlangen, entspringt. Es mischt sich in jene Traurigkeit auch ein Gefühl der Lust (»Ich besaß es doch einmal, was so köstlich ist« oder: »Es weilt so hoch, es blinkt so schön, wie droben jener Stern«), weshalb man von süßer Wehmut spricht.
Diese Wendung geht auf das 1. Buch Mose zurück, wo der „Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen“ im Garten Eden erwähnt wird.
Als Baum der Erkenntnis von Gut und Böse (hebräisch: עץ הדעת טוב ורע °ez had-da°at tôb wâ-râ) wird in der Paradieserzählung ein Baum bezeichnet, der sich – zusammen mit dem Baum des Lebens – in der Mitte des Paradiesgartens befindet und von dessen Früchten zu essen Gott dem Menschen verbietet:
„8 Und Gott der HERR pflanzte einen Garten in Eden gegen Morgen und setzte den Menschen hinein, den er gemacht hatte. 9 Und Gott der HERR ließ aufwachsen aus der Erde allerlei Bäume, lustig anzusehen und gut zu essen, und den Baum des Lebens mitten im Garten und den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen.“
Trotz eines Verbots Gottes isst Adam eine Frucht dieses Baums, was die Vertreibung aus dem Paradies zur Folge hat:
„15 Und Gott der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, daß er ihn baute und bewahrte. 16 Und Gott der HERR gebot dem Menschen und sprach: Du sollst essen von allerlei Bäumen im Garten; 17 aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen sollst du nicht essen; denn welches Tages du davon ißt, wirst du des Todes sterben.“
Der Begriff Babylonische Sprachverwirrung (lateinisch: „confusio linguarum“) stammt aus 1. Mose 11, 7–9 EU. Danach verwirrte Gott die Erbauer des Turms zu Babel, sodass „keiner des anderen Sprache verstehe“. Darin wird die Sprachenvielfalt als Gottesstrafe an der gesamten Menschheit dargestellt.
Die Bibel beschreibt den Turmbau zu Babel. Da das Vorhaben als Versuch, Gott gleichzukommen, gesehen wird, strafte er die Bauleute damit, dass nun jeder seine eigene Sprache besaß, damit keiner mehr den anderen verstand. Zuvor habe die ganze Welt eine gemeinsame Sprache gesprochen. Der Bau blieb aufgrund der Sprachprobleme unvollendet.
Die Bibel nimmt das Thema der Sprachverwirrung nochmals in der Pfingstgeschichte des Neuen Testaments in der Apostelgeschichte auf. Der Heilige Geist der durch Jesus Christus ermöglichten Gottverbundenheit bewirkt, dieser Erzählung zufolge, ein neues Reden und Verstehen über alle Sprachgrenzen hinweg.
Auf die „Babylonische Sprachverwirrung“ wird häufig bei der Berichterstattung über die Verwaltung der Europäischen Gemeinschaft Bezug genommen, wo sich auf Grund der sprachlichen Vielfalt Mehrarbeiten und Kosten ergeben.
Die babylonische Sprachverwirrung findet auch in anderen Zusammenhängen und Abwandlungen Anwendung. So betitelte das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ eine sprachkritische Geschichte über den „Mischmasch namens Denglisch“ mit: „Welcome in Blabylon“.
Die Hauptfiguren des Stücks sind die beiden Landstreicher Estragon und Wladimir, die an einem nicht näher definierten Ort, einer Landstraße mit einem kahlen Baum, ihre Zeit damit verbringen, „nichts zu tun“ und auf eine Person namens Godot zu warten, die sie nicht kennen, von der sie nichts Genaues wissen, nicht einmal, ob es sie überhaupt gibt. Godot selbst erscheint in der Tat bis zuletzt nicht, das Warten auf ihn ist offensichtlich vergeblich. Am Ende eines jeden der beiden weitgehend identischen Akte erscheint ein angeblich von ihm ausgesandter etwas ängstlicher Botenjunge, sein Ziegenhirte, der verkündet, dass sich Godots Ankunft weiter verzögern, er aber ganz bestimmt kommen werde. Spätestens dann dämmern den Wartenden Zweifel an der Sinnhaftigkeit ihrer Situation, lösen aber können sie sich dennoch nicht aus ihr, wie folgender, mehrfach wiederkehrender Dialog unterstreicht:
Estragon: Komm, wir gehen!
Wladimir: Wir können nicht.
Estragon: Warum nicht?
Wladimir: Wir warten auf Godot.
Estragon: Ah!
Zwei Akte lang tritt das Stück statisch auf der Stelle. Um die „unheimliche Stille auf Abstand zu halten“, wird viel mit absurden Diskussionen über Belangloses gestritten und sich wieder versöhnt. Vor allem aber beschäftigt man sich mehr schlecht als recht damit, kleine Übungen und Spielchen zu erfinden, um sich die zähe Zeit zu vertreiben, oder man erörtert die verschiedenen Möglichkeiten des Selbstmords.
Bis zum Schluss wird nicht klar, wer Godot ist und warum genau man in einer so „gottverlassenen Gegend“ auf ihn wartet. Auch der sich später mit seinem Diener Lucky vorübergehend zu ihnen gesellende Landbesitzer Pozzo bringt keine Veränderung und sorgt statt für Klarheit eher für zusätzliche Verwirrung. Er gebärdet sich wie ein reicher Tyrann, der seinen mit Koffern schwer beladenen Diener wie einen apathischen Packesel an einem Strick um den Hals vor sich hertreibt und auf Kommando apportieren und tanzen lässt. Mit knallender Peitsche fordert er, gleichsam als Höhepunkt seiner Darbietungen, Lucky auf, „laut zu denken“. Was dabei herauskommt, ist die höhnische Parodie einer Theodizee, ein wirrer, hastig abgespulter Monolog, in dem Theologie, Kunst und Philosophie zu Kulturmüll zerfallen. Pozzo und Lucky, aufeinander angewiesen wie Herr und Knecht, demonstrieren in einem grotesken Spiel-im-Spiel, wie sich akademische Wissenschaft ad absurdum führt.
Als die beiden am nächsten Tag erneut vorbeikommen, ist Lucky inzwischen stumm und Pozzo blind geworden. Der Herr muss jetzt von seinem Sklaven geführt werden und kann sich, ebenso wie Lucky und der Botenjunge, nicht entsinnen, Estragon oder Wladimir jemals zuvor begegnet zu sein.
Alle Figuren verkörpern das menschliche Bedürfnis, trotz unbestimmter und letztlich unerfüllter Illusionen auf die Ankunft eines Heil bringenden Propheten oder sonstigen Erlösers zu hoffen. Beckett problematisiert und karikiert diesen Hang dadurch, dass er seine Figuren lächerlich und traurig zugleich erscheinen lässt. Mit seiner ins Leere laufenden Handlung, den sich im Kreise drehenden Figuren und dem wenig Hoffnung lassenden Schluss – alles Merkmale, die nicht eben Optimismus und Vertrauen in die Sinnhaftigkeit des menschlichen Lebens verbreiten – steht das Stück der zeitgenössischen Philosophie des Existenzialismus nahe und gilt als ein typisches Beispiel des französischen Theaters des Absurden der Jahre um 1950.
„Die menschliche Existenz als Grenzsituation zwischen Leben und Tod, Gestalten, die auf der ewig enttäuschten Illusion des Wartens beharren oder in tragikomischer Hilflosigkeit die Gewissheit ihres Verfalls überspielen – darum geht es in allen Stücken Becketts.“[3] Im Zyklus solcher apokalyptischen Szenarios zeigt Warten auf Godot das menschliche Ableben auf der vergeblichen Suche nach Formen des Überlebens, nach Variationen des Endzeitvertreibs.
Beckett weigerte sich stets, Interpretationen zu seinen Stücken abzugeben. So hat er es auch abgelehnt, die Spekulationen darüber, wer Godot sei oder wofür er stehe, zu beantworten: „Hätte ich gewusst, wer Godot ist, hätte ich es im Stück gesagt.“ – Die traditionelle Deutung der Literaturwissenschaft sieht Warten auf Godot als Paradebeispiel des absurden Theaters. Es spiegele die Weltanschauung des Existenzialismus, die besagt, dass es infolge der rein zufälligen Entstehung der Welt keinen eigentlichen „Sinn des Lebens“ und demzufolge auch keine grundlegenden moralischen Vorschriften (Religion) für den Menschen gebe. Wladimir und Estragon gelten als Landstreicher, „die als ‚metaphysische Clowns‘ die existenzielle Unbehaustheit des Menschen verkörpern.“ Godot wird dabei mit Verweis auf das englische Wort God und die französische Diminutiv-Endung -ot als kleiner Gott gedeutet, auf dessen Ankunft der Mensch vergeblich hofft. Das werde vor allem an der Figur Wladimirs verdeutlicht, die wiederholt aus der Bibel zitiert und daran erinnert, dass man auf Godot warte, während Estragon Godot immer wieder vergisst und den Ort verlassen möchte.
Japanisch für "weiter machen, unaufhörlich, auch durch harte Zeiten gehen, sein bestes geben, immer wieder, unbeirrbar".
Japanisch für "kai: Veränderung, Wandel; zen: zum besseren".
Japanisch für "bu: Militär, kriegerisch; do: Weg".
Budo zielt nicht nur auf die Effizienz nach außen als Kampftechnik, sondern auch auf das innere des Übenden als mentale Entwicklung. Der Sinn liegt dementsprechend weniger im Ergebnis als viel mehr im tun. Das Ergebnis ist offe und im Grunde nebensächlich, viel mehr liegt der Fokus auf der andauernden Verbesserung der Fähigkeiten UND des Übenden.
Die Begriffe Budō und Bushidō („Weg des Kriegers“) haben auch noch eine übertragene Bedeutung: als Methode zur Selbstverwirklichung und Selbstkontrolle. Die ersten Budō-Systeme sind in der vergleichsweise friedlichen Edo-Periode (1600–1868) und dann, wie viele Do/Dao-Künste, auch unter dem wachsenden Einfluss des Zen entstanden, als die Samurai keine Kriege mehr führen mussten und sie Zeit für das Üben der Kampf-„Künste“ im Sinne der Selbstschulung hatten.
"Ideen der Anhänger der Schule des Gelehrten"
Der Konfuzianismus nimmt jedes Individuum in die Verantwortung. Jeder Mensch ist verantwortlich für seine Rolle in der Gesellschaft. Scheitert die Gesellschaft, hat jedes Beteiligte Individuum versagt.
Ständige Arbeit an sich selbst soll zur Verbesserung führen. Weg ist das Leben und dabei auch Ziel das Erreichen von "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Toleranz und Humanität"
Λάθε βιώσας. (Lathe biōsas.)
„Lebe im Verborgenen!“ (Motto der Epikureer (Anhänger Epikurs)).
Λακωνικὸν τρόπον (Lakōnikon tropon)
„nach lakonischer Art“ (knappe aber treffende Ausdrucksweise. Als Philipp II. mit seinem Heer herannahte, sandte er der Legende nach folgende Drohung nach der lakonischen Hauptstadt Sparta: „Wenn ich euch besiegt habe, werden eure Häuser brennen, eure Städte in Flammen stehen, und eure Frauen zu Witwen werden.“ Darauf antworteten die Spartaner trocken: „Wenn.“)
λέγειν τὰ λεγόμενα (legein ta legomena)
„Überlieferungen überliefern“ (wird verwendet, um klarzustellen, dass man selbst den wiedergegebenen Sachverhalt nicht inhaltlich beurteilen kann)
Λεγεὼν ὄνομά μοι. (Legeōn onoma moi.)
„Mein Name ist Legion.“ (Im Evangelium nach Markus antwortet der „unsaubere Geist“ auf die Frage nach seinem Namen: „Legion heiße ich; denn wir sind viele.“)
Λέγω γὰρ ὑμῖν. (Lego gar hymin.)
„Denn ich sage euch.“ (Eine Wendung die Jesus mehrfach im Neuen Testament verwendet: „Und da sie aßen, sprach er: Wahrlich ich sage euch: Einer unter euch wird mich verraten.“)
λεοντῆ ἐπὶ κροκωτῷ (leontē epi krokōtō)
„Löwenfell über Safrankleid“ (Dionysos steigt in den Hades und trägt über seinem Frauenkleid ein Löwenfell, damit man ihn für Herakles hällt und sich vor ihm fürchtet.)
Λιμὴν πέφυκε πᾶσι παιδεία βροτοῖς. (Limēn pephyke pasi paideia brotois.)
„Ein Hafen ist die Bildung allen Sterblichen.“ (Menander hebt damit die Bedeutung der Bildung hervor. Diogenes sagt ähnlich: „Bildung ist für die Jungen Weisheit, für die Alten Ermutigung, für die Armen Reichtum und für die Reichen Schmuck.“)
Λίθον ὃν ἀπεδοκίμασαν οἱ οἰκοδομοῦντες, οὗτος ἐγενήθη εἰς κεφαλὴν γωνίας· (Lithon hon apedokimasan hoi oikodomountes, houtos egenēthē eis kephalēn gōnias;) „Der Stein, den die Bauleute verwarfen, er ist zum Eckstein geworden.“ (Der Eckstein ist der wichtigste Stein im ganzen Bau. An ihm werden die anderen Steine ausgerichtet.)
λόγοι Φιλιππικοί (logoi Philippikoi)
„Philippische Reden“ (geht zurück auf die von Demosthenes gehaltenen Reden gegen Phillipp von Makkedonien. Philippika bezeichnet eine Angriffs-, Brand-, Straf- oder Kampfrede.)
Λόγοις δ᾽ ἐγὼ φιλοῦσαν οὐ στέργω φίλην. (Logois d’ egō philousan ou stergō philēn.)
„Ich mag nicht Liebe, die mit Worten liebt.“ (Antigone sagt diese Worte zu ihrer Schwester Ismene, die ihr die Mithilfe bei der verbotenen Bestattung ihres gemeinsamen Bruders Polyneikes verweigert, sich aber um Antigone ängstigt, die sich dem Verbot des Königs Kreon widersetzt. Für Antigone aber zählen allein die Taten, nicht die Absichten und Gedanken.)
λόγος ψευδὴς εἰκονίζων ἀλήθειαν (logos pseudēs eikonizōn alētheian)
„eine erfundene Geschichte, die eine Wahrheit enthält“ (Beschreibung der Fabel, deren charakteristisches Merkmal die gleichnishafte Rede ist. Eine bestimmte Wahrheit wird dabei in eine erfundene Geschichte gekleidet: „Μῦθός ἐστι λόγος ψευδὴς εἰκονίζων ἀλήθειαν.“, „Die Fabel ist eine erfundene Geschichte, aus der eine Wahrheit entnommen werden kann.“)
Λυδία λίθος (Lydia lithos)
„lydischer Stein“ (Der lydische Stein (Lydit, Kieselschiefer) war ein Probierstein, der, wenn er schwarz gefärbt ist, zum Probieren des Goldes und des Silbers gebraucht werden kann. Die Silberprobe war eine Strichprobe, bei der ein Silbergegenstand über eine Platte aus Kieselschiefer gezogen wurde, so dass ein Silberstrich stehen bleibt. Dann wurde die Strichprobe mit den so genannten Probiernadeln verglichen, deren Legierung bekannt war. Diese Art der Silberprobe kam auf, als das Orakel von Delphi bei dem Lyderkönig Krösus auf Bezahlung in purem Silber und Gold bestand.)
Λυποῦντα λύπει, καὶ φιλοῦνθ’ ὑπερφίλει. (Lypounta lypei, kai philounth’ hyperphilei.)
„Den kränke, der dich kränkt, und liebe den, der liebt!“ (Im Grunde gleiches mit gleichem und Auge um Auge.)
Λωτοῦ ἔφαγες. (Lōtou ephages.)
„Du hast Lotos gegessen.“ (Dieser Satz soll bedeuten, dass jemand seine Heimat vergessen hat. Hintergrund ist die Geschichte von den Lotophagen (Λωτοφάγοι), den „Lotosessern“, die unter unwürdigen Bedingungen leben, sich aber unter dem berauschenden Einfluss der Lotosfrüchte im Paradies wähnen. Das mythische Volk wird daher als Synonym für Selbsttäuschung hergenommen. Sie werden im 9. Gesang der Odyssee erwähnt, als Odysseus an Land geht und drei Männer voraus schickt, werden diese von den Lotophagen freundlich empfangen und erhalten als Gastgeschenk Lotos. Darauf vergessen die Männer ihre Heimat und den Zweck ihrer Landung. Erasmus von Rotterdam schreibt in der Adagia: „Du hast wohl Lotes gegessen, pflegte man zu sagen, wenn sich einer übermäßig lange in der Fremde aufhielt, gerade als ob er überhaupt nicht mehr an Heimkehr dächte. Nicht unangebracht ist der Ausdruck auch bei Leuten, die, einmal auf den Geschmack des Lasters gekommen, jegliches Interesse an ihrer früheren ernsthaften Tätigkeit verlieren.“)
propietas leoninus (dominii leoninus)
Eigentum eines Löwen
ex ungue leonem
An der Klaue erkennt man den Löwen
Repetitio est mater studiorum.
Die Wiederholung ist die Mutter der Studie.
Plenus venter non studet libenter
Ein voller Bauch studiert nicht gerne.
Repetitorium
Buch zur Wiederholung wichtigen Lernstoffes
Nosce te ipsum!
Erkenne dich selbst !
Nuda veritas.
Die nackte Wahrheit.
Numquam aliud natura, aliud sapientia dicit.
Niemals sagt die Natur das eine, die Weisheit das andere.
O tempora, o mores !
Was für Zeiten, was für Sitten.
Veritatis simplex oratio est.
Die Sprache der Wahrhaftigkeit ist einfach.
Vitam impendere vero.
Das Leben dem Wahren widmen.
Parcere subiectis et debellare superbos.
Unterworfene schonen und Hochmütige niederkämpfen.
Perfer et obdura !
Ertrage und sei beharrlich !
Pulvis et umbra sumus.
Staub und Schatten sind wir.
umbra sumus
Schatten sind wir
Fortiter in re, suaviter in modo.
Stark in der Tat, milde in der Art.
Suaviter in modo, fortiter in re.
Milde in der Art, stark in der Tat.
Gutta cavat lapidem [non vi, sed saepe cadendo].
Der Tropfen höhlt den Stein [nicht durch Gewalt, sondern durch stetiges Fallen].
Accipere quam facere praestat iniuriam.
Es ist besser, Unrecht zu erleiden als es zu tun.
Ipsa scientia potestas est.
Wissen selbst ist Macht.
Militat omnis amans.
Jeder, der liebt, befindet sich im Krieg.
Nemo mortalium omnibus horis sapit.
Kein Mensch ist zu jeder Stunde weise.
Neque rogemus res turpis nec faciamus rogati.
Weder wollen wir um schändliche Dinge bitten noch sie tun, wenn wir darum gebeten worden sind.
Nil homini certum est.
Nichts ist für den Menschen sicher.
Nil nimium mortalibus arduum.
Nichts ist für Menschen zu schwer.
Noli turbare circulos meos !
Störe meine Kreise nicht !
Non nobis solum nati sumus.
Wir sind nicht für uns allein geboren.
Non quia difficilia sunt, non audemus, sed quia non audemus, difficilia sunt.
Nicht weil die Dinge schwierig sind, wagen wir sie nicht, sondern weil wir sie nicht wagen, sind sie schwierig.
Non semper ea sunt, quae videntur.
Die Dinge sind nicht immer das, was sie zu sein scheinen.
Non sum, qualis eram.
Ich bin nicht der, der ich war.
Oderint, dum metuant.
Sie sollen mich ruhig hassen, solange sie mich fürchten !
Odi profanum vulgus et arceo.
Ich hasse das gemeine Volk und halte es fern.
Omne solum forti patria est.
Jedes Fleckchen Land ist für den Tapferen eine Heimat.
Pacta sunt servanda.
Verträge müssen eingehalten werden.
Panem et circenses !
Brot und Spiele !
Quid vesper ferat, incertum est.
Was der Abend bringt, ist ungewiss.
Quod non vetat lex, hoc vetat fieri pudor.
Was das Gesetz nicht verbietet, verbietet der Anstand.
Quod satis est, cui contingit, nihil amplius optet.
Wem zuteil wird, was genug ist, soll nicht mehr wünschen.
Res non semper, spes mihi semper adest.
Die Realität hilft mir nicht immer, aber die Hoffnung.
Sed fugit interea, fugit irreparabile tempus.
Aber inzwischen entflieht die Zeit, entflieht unwiederbringlich.
Sic transit gloria mundi.
So vergeht der Ruhm der Welt.
Silent leges inter arma.
Gesetze schweigen unter Waffen.
Sine ira et studio.
Ohne Zorn und Beschönigung.
Sol lucet omnibus.
Die Sonne scheint für alle.
Suum cuique.
Jedem das seine.
Te hominem esse memento !
Denke daran, dass du ein Mensch bist !
Tempora labuntur tacitisque senescimus annis et fugiunt freno non remorante dies.
Die Zeit gleitet dahin, wir altern unmerklich in der Jahren und die Tage entfliehen, da kein Zügel sie zurückhält.
Tempus edax rerum.
Die Zeit zernagt alles.
Tu ne cede malis, sed contra audentior ito !
Weiche nicht vor dem Unglück zurück, sondern tritt ihm noch mutiger entgegen.
Tu si animo regeris, rex es.
Wenn du von der Vernunft regiert wirst, bist du ein König.
Ubi bene, ibi patria.
Wo es dir gut geht, dort ist die Heimat.
Ut ameris, amabilis esto !
Um geliebt zu werden, sei liebenswert !
Ut corpora nostra sine mente, sic civitas sine lege.
Wie unsere Körper ohne Geist, so ist ein Staat ohne Gesetz.
Ut desint vires, tamen est laudanda voluntas.
Auch wenn die Kräfte fehlen, muss der Wille dennoch gelobt werden.
Ut sementem feceris, ita metes.
Wie du säest, so wirst du ernten.
Vitia erunt, donec homines.
Charakterfehler wird es geben, solange es Menschen gibt.
Vivere militare est.
Zu leben heißt zu kämpfen.
nulla poena sine culpa!
Ego sum, qui sum
Ich bin der, der ich bin
Ad rem
Zur sache
Alea iacta est.
Der Würfel ist gefallen.
Ave !
Sei gegrüßt!
Barbarus hic ergo sum, quia non intellegor ulli.
Ein Barbar bin ich hier, da ich von keinem verstanden werde.
Cogito, ergo sum
Ich denke, also bin ich.
Favete linguis!
Hütet eure Zungen!
Felix qui potuit rerum cognoscere causas
Glücklich, wem es gelang, den Grund der Dinge zu erkennen.
Fiat iustitia et pereat mundus
Es geschehe Recht, auch wenn die Welt darüber zugrunde geht.
Fiat lux
Es werde Licht.
Ignorabmus, ignarobimus
Wir wissen es nicht, wir werden es nicht wissen (den Schlüssel zur Lösung der letzten Rätsel).
Mimus vitae
Das Possenspiel des Lebens
Nemo prudens punit, quia peccatum est, sed ne peccetur
Kein Kluger straft, weil gefehlt worden ist sondern damit in Zukunft nicht gefehlt werde.
Navigare necesse est, vivere non necesse est
Seefahrt ist notwendig, Leben nicht.
Ne discere cessa
Höre nicht auf zu lernen.
Non curatur, qui curat
Wer Sorgen hat wird nicht geheilt
Pessima tempora plurimae leges
In schlechtesten Zeiten gibt es die meisten Gesetze.
Periculum in mora
Gefahr liegt im Verzug!
Possum, sed nolo
Ich könnte, aber ich mag nicht
Quod erat demonstrandum (q.e.d.) Euklid (eigentl. griech.)
Schlußsatz für mathematische Beweise Was zu beweisen war.
Ubi solitudinem faciunt, pacem appellant
Wo sie eine Ödnis schaffen, nennen sie es Frieden - Gaius Cornelius Tacitus, Agricola, Kap. 30.
Ultima ratio
Letztes Argument, der letzte Ausweg.
Ultima Ratio Regum
Das letzte Mittel des Königs (Ludwig XIV., König von Frankreich, ließ dies auf den Kanonen seiner Armeen eingravieren)
Homo faber Der technisch begabte Mensch Homo ludens Der spielende Mensch Homo sapiens Der vernuftbegabte Mensch Homo novus Neuer Mensch, Emporkömmling homo politicus politischer Mensch Errare humanum est Irren ist menschlich Sensus communis Gesunder Menschenverstand Memento te hominem esse Bedenke, dass du ein Mensch bist. Mens sana in corpore sano. Ein gesunder Geist in einem gesunden Körper Homo proponit sed deus disponit Der Mensch denkt, Gott lenkt Nam vitiis nemo sine nascitur Kein Mensch wird ja ohne Fehler geboren.
silenda Geheimnisse mysterium Geheimnis arcanum Geheimnis secreta Geheimnis secretae Geheimnis secretum Geheimnis mysticus geheimnisvoll mystica geheimnisvoll mysticum geheimnisvoll
nimius zu viel nimius allzuviel perniumiusium gar zu viel multae Buße multae Strafe permultae sehr viele
honor die Ehre, das Amt amicitia die Freundschaft venatio die Jagd prudentia die Klugheit clementia die Milde, Nachsicht otium die Muße, Ruhe, der Frieden celeritas die Schnelligkeit fortitudo die Tapferkeit fides die Treue, das Vertrauen sapientia die Weisheit dignitas die Würde
studium eifriges Streben studium Beschäftigung studiorum Studium studia Studium studium Eifer studium Studium studium Lieblingsbeschäftigung
honestus ehrenvoll contendere eilen; sich anstrengen; kämpfen oportet es gehört sich, ist notwendig pius fromm, gut und treu bonum Gut, das Gute
Yen Yüan (Yen Hui) und Gi Lu (Dsï Lu) standen zu des Meisters Seite, da sprach er: »Nun sage mir einmal jeder seine Herzenswünsche.« Dsï Lu begann: »Ich möchte Pferd und Wagen und leichtes, kostbares Pelzwerk zum Anziehen. Ich wollte es mit meinen Freunden gemeinsam benützen, und wenn sie es mir verdürben, so wollte ich nicht böse werden.« Yen Yüan sprach: »Ich möchte mich nicht meines Guten rühmen und möchte nicht andere für mich bemühen.« – Darauf sprach Dsï Lu: »Nun möchten wir auch gern des Meisters Wünsche hören.« Der Meister sprach: »Den Alten möchte ich Frieden geben, mit Freunden möchte ich in Treuen verkehren, die Kleinen möchte ich herzen.«
Der Meister sprach: »Sieh, was einer wirkt, schau, wovon er bestimmt wird, forsche, wo er Befriedigung findet: wie kann ein Mensch da entwischen? Wie kann ein Mensch da entwischen?«
Der Meister sprach: »Wer kraft seines Wesens herrscht, gleicht dem Nordstern. Der verweilt an seinem Ort und alle Sterne umkreisen ihn.«
Der Meister sprach: »Ein Mensch ohne Glauben: ich weiß nicht, was mit einem solchen zu machen ist. Ein großer Wagen ohne Joch, ein kleiner Wagen ohne Kummet, wie kann man den voranbringen?«
Meister Dsong sprach: »Ich prüfe täglich dreifach mein Selbst: Ob ich, für andere sinnend, es etwa nicht aus innerstem Herzen getan; ob ich, mit Freunden verkehrend, etwa meinem Worte nicht treu war; ob ich meine Lehren etwa nicht geübt habe.«
Der Meister sprach: »Ein Edler, der beim Essen nicht nach Sättigung fragt, beim Wohnen nicht nach Bequemlichkeit fragt, eifrig im Tun und vorsichtig im Reden, sich denen, die Grundsätze haben, naht, um sich zu bessern: der kann ein das Lernen Liebender genannt werden.«
Der Meister sprach: »Der Edle hat für nichts auf der Welt eine unbedingte Voreingenommenheit oder eine unbedingte Abneigung. Das Rechte allein ist es, auf dessen Seite er steht.«
Der Meister sprach: »Ist der Vater am Leben, so schaue auf seinen Willen. Ist der Vater nicht mehr, so schaue auf seinen Wandel. Drei Jahre lang nicht ändern des Vaters Weg: das kann kindesliebend heißen.«
Der Meister sprach: »Der Edle ist ruhig und gelassen, der Gemeine ist immer in Sorgen und Aufregung.«
Der Meister sprach: »Ich mache bei meinem Unterricht keinen Unterschied zwischen arm und reich. Wenn einer auch nur die allergeringste Gabe darbringt, um dadurch zu zeigen, daß es ihm um die Sache zu tun ist, so ist er mir willkommen.«
Der Meister sprach: »Wer nicht strebend sich bemüht, dem helfe ich nicht voran, wer nicht nach dem Ausdruck ringt, dem eröffne ich ihn nicht. Wenn ich eine Ecke zeige, und er kann es nicht auf die andern drei übertragen, so wiederhole ich nicht.«
Der Meister sprach: »Wenn man durch Erlasse leitet und durch Strafen ordnet, so weicht das Volk aus und hat kein Gewissen. Wenn man durch Kraft des Wesens leitet und durch Sitte ordnet, so hat das Volk Gewissen und erreicht (das Gute).«
Der Meister sprach: »Der Edle ist kein Gerät.«
Es ist unvereinbar mit der Würde des höheren Menschen, sich als bloßes Werkzeug für die Zwecke andrer gebrauchen zu lassen. Er ist Selbstzweck.
Dsï Hia sprach: »Dreimal verschieden erscheint der Edle. (Aus der Ferne) gesehen (erscheint er) streng. Naht man ihm, so ist er milde. Hört man seine Worte, so ist er unbeugsam.«
Der Meister sprach: »Der Freiherr Ning Wu war weise, solange Ordnung im Lande herrschte. Als Unordnung im Lande aufkam, benahm er sich töricht. In seiner Weisheit können andre ihn erreichen. In seiner Torheit aber ist er unerreichbar.« Es gelang ihm nämlich, durch seine scheinbare Torheit seinen Fürsten zu retten.
Der Meister sprach: »Daß Anlagen nicht gepflegt werden, daß Gelerntes nicht besprochen wird, daß man seine Pflicht kennt und nicht davon angezogen wird, daß man Ungutes an sich hat und nicht imstande ist, es zu bessern: das sind Dinge, die mir Schmerz machen.«
Der Meister sprach: »Sich das Ziel setzen im Pfad, sich klammern an die guten Naturanlagen, sich stützen auf die Sittlichkeit, sich vertraut machen mit der Kunst.«
Dsï Gung fragte und sprach: »Wen seine Landsleute lieben, wie ist der?« Der Meister sprach: »Das sagt noch nichts.« »Wen seine Landsleute alle hassen, wie ist der?« Der Meister sprach: »Auch das sagt noch nichts. Besser ist's, wenn einen die Guten unter den Landsleuten lieben und die Nichtguten hassen.«
Es sprach jemand: »Durch Güte Unrecht zu vergelten, wie ist das?« Der Meister sprach: »Womit soll man dann Güte vergelten? Durch Geradheit vergelte man Unrecht, durch Güte vergelte man Güte.«
Der Meister sprach: »Yu, wenige sind ihrer, die die Macht des Geistes kennen.«
Der Meister war in seinem Wesen mild und doch würdevoll. Er war Ehrfurcht gebietend und doch nicht heftig. Er war ehrerbietig und doch selbstbewußt.
Der Meister sprach: »Ich nun bin verschieden davon, (für mich gibt es) nichts (das unter allen Umständen) möglich, und nichts (das unter allen Umständen) unmöglich wäre.«
Gung-Schan Fu-Jau hatte (die Stadt) Bi besetzt und berief (den Meister). Der Meister war geneigt zu gehen. Dsï Lu war (darüber) unwillig und sprach: »Wenn man kein Unterkommen findet, so stehe man (von der öffentlichen Wirksamkeit) ab, aber warum denn zu diesem Gung Schan gehen!« Der Meister sprach: »Daß er grade mich beruft, wie sollte das zufällig sein? Wenn jemand mich braucht, kann ich dann nicht ein östliches Dschoureich gründen?«
Bi Hi berief (den Meister). Der Meister war geneigt, hinzugehen. Dsï Lu sprach: »Einst habe ich vom Meister gehört: ›Wer in seinem persönlichen Betragen nicht gut ist, mit dem läßt sich der Edle nicht ein.‹ Bi Hi hat Dschung Mou im Aufruhr besetzt; wenn (nun) der Meister hingeht: was soll das?« Der Meister sprach: »Ja, ich habe das gesagt; aber heißt es nicht auch: ›Was wirklich fest ist, mag gerieben werden, ohne daß es abgenutzt wird‹? Heißt es nicht: ›Was wirklich weiß ist, kann auch in eine dunkle Flüssigkeit getaucht werden, ohne daß es schwarz wird‹? Wahrlich, bin ich denn ein Kürbis, den man nur aufhängen kann, aber nicht essen?«
Der Meister sprach: »Nur die höchststehenden Weisen und die tiefststehenden Narren sind unveränderlich.«
Der Meister sprach: »Wer ohne etwas zu tun (das Reich in) Ordnung hielt, das war Schun. Denn wahrlich: was tat er? Er wachte ehrfürchtig über sich selbst und wandte ernst das Gesicht nach Süden, nichts weiter!«
Der Meister sprach: »Die Pflicht als Grundlage, Anmut beim Handeln, Bescheidenheit in den Äußerungen, Treue in der Durchführung: wahrlich so ist ein Edler!«
Freiherr Gi Kang war in Sorge wegen des Räuberunwesens und fragte den Meister Kung. Meister Kung entgegnete: »Wenn Eure Hoheit es nicht wünscht, so wird, ob selbst Belohnung darauf gesetzt würde, niemand rauben.«
Sï Ma Niu fragte nach dem (Wesen des) Edlen. Der Meister sprach: »Der Edle ist ohne Trauer und ohne Furcht.« Er sprach: »Ohne Trauer und ohne Furcht sein: das heißt ein Edler sein?« – Der Meister sprach: »Wenn einer sich innerlich prüft, und kein Übles da ist, was sollte er da traurig sein, was sollte er fürchten?«
Der Meister sprach: »Nicht wahr, Schen, meine ganze Lehre ist in Einem befaßt.« Meister Dsong sprach: »Ja.« Als der Meister hinaus war, fragten seine Schüler und sprachen: »Was bedeutet das?« Meister Dsong sprach: »Unsres Meisters Lehre ist Treue gegen sich selbst und Gütigkeit gegen andre: darin ist alles befaßt.«
Der Meister sprach: »Mein Hui, wessen Herz drei Monate lang nicht von der Sittlichkeit abweicht, der wird dann in (seinem) übrigen (Leben) (alle) Monate und Tage sie zu erreichen vermögen.«
Der Meister sprach: »Der Mensch lebt durch Geradheit. Ohne sie lebt er von glücklichen Zufällen und Ausweichen.«
Selbstverteidigung: We-Schong Mou redete zu Meister Kung und sprach: »Kiu, warum (treibst du dich immer) so aufgeregt (umher)? Du willst dich wohl im Wortemachen (üben)?« Meister Kung sprach: »Ich wage es nicht, bloße Worte zu machen, aber ich hasse beschränkte Hartnäckigkeit.«
Sï Ma Niu war betrübt und sprach: »Alle Menschen haben Brüder, nur ich habe keinen.« Dsï Hia sprach: »Ich habe gehört: Tod und Leben haben ihre Bestimmung, Reichtum und Ansehen kommen vom Himmel. Der Edle ist sorgfältig und ohne Fehl: im Verkehr mit den Menschen ist er ehrerbietig und taktvoll: so sind innerhalb der vier Meere alle seine Brüder. Warum sollte der Edle sich bekümmern, daß er keine Brüder hat?«
Der Meister sprach: »Die Überschreitungen eines jeden Menschen entsprechen seiner Wesensart. Dadurch daß man seine Überschreitungen sieht, kann man einen Menschen erkennen.«
Meister Kung sprach: »Bei der Geburt schon Wissen zu haben, das ist die höchste Stufe. Durch Lernen Wissen zu erwerben, das ist die nächste Stufe. Schwierigkeiten haben und doch zu lernen, das ist die übernächste Stufe. Schwierigkeiten haben und nicht lernen: das ist die unterste Stufe des gemeinen Volks.«
Keine unreinen Gedanken: Der Meister sprach: »Des Liederbuchs dreihundert Stücke sind in dem einen Wort befaßt: Denke nicht Arges!«
Der Meister sprach: »Der Edle hat für nichts auf der Welt eine unbedingte Voreingenommenheit oder eine unbedingte Abneigung. Das Rechte allein ist es, auf dessen Seite er steht.«
Der Meister sprach: »Weisheit macht frei von Zweifeln, Sittlichkeit macht frei von Leid, Entschlossenheit macht frei von Furcht.« (Buch IX, Der dreifache Sieg)
Der Jünger Dsï Dschang fragte, auf welche Weise man seinen Charakter entwickeln und die Unklarheiten des eigenen Wesens aufhellen könne. Der Meister sprach: »Die Entwicklung und Erhöhung des Charakters wird erreicht durch unbedingte Gewissenhaftigkeit und Wahrheit und freie Unterwerfung unter das, was Pflicht ist. Die inneren Unklarheiten und Dunkelheiten des eigenen Wesens verschwinden von selbst, sowie man sie nur einfach ins Auge faßt. Das Gemütsleben der meisten Menschen wird beherrscht von blinden Sympathien und Antipathien. Je nach der Sympathie oder Antipathie, die uns beherrscht, wünschen wir andern Leben oder Tod. Aber man darf sich nur einmal überlegen, was das heißt: Leben zu fördern suchen und auf der andern Seite wieder Leben zu vernichten trachten, um zu erkennen, daß ein solcher Gemütszustand in dumpfer Unklarheit befangen ist. Ein klarer Standpunkt läßt sich also nur erreichen, wenn man sich durch Vernunft frei macht von der Beeinflussung des niederen Trieblebens.« (Buch XII, Innere Unklarheiten)
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Ein Kernthema ist für Platon die Frage, wie unzweifelhaft gesichertes Wissen erreichbar ist und wie man es von bloßen Meinungen unterscheiden kann.
Alle Werke Platons mit Ausnahme der Briefe und der Apologie sind nicht – wie damals das meiste philosophische Schrifttum – als Lehrgedichte oder Traktate, sondern in Dialogform geschrieben; auch die Apologie enthält vereinzelt dialogische Passagen. Dabei lässt Platon eine Hauptfigur, meist Sokrates, mit unterschiedlichen Gesprächspartnern philosophische Debatten führen, die von Einschüben wie indirekten Berichten, Exkursen oder mythologischen Partien abgelöst und ergänzt sowie mit ihnen verwoben werden; lange monologische Reden kommen darin ebenfalls vor. Auch andere Sokrates-Schüler wie Xenophon, Aischines, Antisthenes, Euklid von Megara und Phaidon von Elis verfassten Werke in der Form des sokratischen Dialogs (Σωκρατικοὶ λόγοι Sokratikoì lógoi), doch Platon erlangte auf diesem Gebiet eine so überragende Bedeutung, dass die Antike ihn (wenn auch nicht einhellig) als Erfinder dieser damals noch jungen literarischen Gattung betrachtete. Er verhalf dem sokratischen Dialog zum Durchbruch und zugleich zur Vollendung.
Die Dialogform unterscheidet sich von anderen Textformen deutlich:
Ort und Zeit der Dialoge sind oft genau angegeben; so bilden etwa der Besuch beim inhaftierten Sokrates (Kriton), das Haus eines reichen Atheners (Politeia), ein Gastmahl (Symposion), ein Spaziergang außerhalb Athens (Phaidros) oder die Wanderung zu einem Heiligtum (Nomoi) das konkrete Umfeld. Die realitätsnahe Rahmengebung erweckt den Eindruck einer historischen Begebenheit und vermittelt Authentizität. Es handelt sich allerdings nicht um authentische Gesprächsprotokolle, sondern um literarische Fiktionen. Häufig werden auch Quellen der Überlieferungen, Berichte oder Mythen, welche in die Dialoge eingeflochten sind, präzise beschrieben und beglaubigt, beispielsweise beim Atlantis-Mythos im Timaios und im Kritias.
In seiner Erkenntnistheorie unterscheidet Platon streng zwischen Meinung (δόξα dóxa) oder Glauben ohne Wissen einerseits und wahrem Wissen andererseits. Sinneswahrnehmungen reichen nicht zum Erlangen der Wahrheit aus, sondern erzeugen lediglich Meinungen. Auch wenn eine Meinung zutrifft, ist sie von prinzipiell anderer Beschaffenheit und anderen Ursprungs als Einsicht. Ein Zugang zur Wahrheit und damit Wissen erschließt sich der Seele nur im Denken, das sich möglichst von der Sinneswahrnehmung emanzipiert hat.
Dementsprechend trennt Platon zwei Seinsbereiche: die sinnlich wahrnehmbare Beschaffenheit und das nicht sinnlich wahrnehmbare Wesenhafte. Bei deren Erkundung vollzieht der Mensch mehrere Erkenntnisschritte, wie Platon im Siebten Brief am Beispiel des Kreises demonstriert:
Kant hat sich vier Fragen gestellt und diese zu beantworten versucht:
"Denn alles Streben entspringt aus Mangel, aus Unzufriedenheit mit seinem Zustande, ist also Leiden, solange es nicht befriedigt ist. Keine Befriedigung aber ist dauernd, vielmehr ist sie stets nur der Anfangspunkt eines neuen Strebens. Das Streben sehen wir überall vielfach gehemmt, überall kämpfend. Solange also immer als Leiden: kein letztes Ziel des Strebens, also kein Maß und Ziel des Leidens."
"Erkenntnis der Einheit aller Wesen und Askese, Verneinung des Willens zum Leben allein kann uns erlösen, nicht der Selbstmord, der nur die individuelle Erscheinung des Allwillens vernichtet."
Moralphilosophisch formuliert Schopenhauer im Unterschied zu Kant eine Mitleidsethik. Der einzige Grund, uneigennützig zu handeln, ist die Erkenntnis des Eigenen im Anderen – das ist Mitleid (wobei der Begriff anders als der heutige Sprachgebrauch ein Mitempfinden meint). Schopenhauer verhandelt die Mitleidsethik im vierten Buch von Die Welt als Wille und Vorstellung und vor allem - konkretisierend - in der Preisschrift Ueber die Grundlage der Moral (oder auch Ueber das Fundament der Moral). Im ersten geht es ihm vor allem um die metaphysische Begründung, im letzten um die empirische Nachweisbarkeit (als Gegenprogramm zu Kant) der Mitleidsethik.
Jeder Mensch gilt bei Schopenhauer als Objektivation des Willens. Der einzelne Mensch ist als Subjekt eine Individuation des Willens. Da der Wille bei Schopenhauer als allmächtig gilt, aus ihm alles hervorgeht, hält nun jedes Individuum sich als Individuation des Willens für den Angelpunkt nicht seiner, sondern der Welt überhaupt. Diese Sichtweise resultiert aus der falschen Identifikation der Vorstellungen als Tatsachen, wobei der Nicht-Künstler dabei nicht das "Ding an sich" (den Willen) hinter den Vorstellungen erkennt und deshalb seine individuellen Vorstellungen als "Dinge an sich" identifiziert.
Im Gegenüber, im anderen Menschen, erkennt nun der Mensch (der individuierte Willen) denselben Willen. Der durch den Willen zur absoluten Bejahung des individuierten Willens strebende Mensch (Egoismus) erkennt nun in seinem Gegenüber, dass nur die absolute Verneinung des Willens des Gegenübers einer absoluten Bejahung des eigenen Willens entspricht. So bemerkt der vom blinden Willen getriebene Mensch, dass in allen anderen Lebewesen derselbe blinde Wille haust und sie ebenso leiden lässt wie ihn. Durch das Mitleid wird der Egoismus überwunden, der Mensch identifiziert sich mit dem Anderen durch die Einsicht in das Leiden der Welt. Nur dadurch kann der Wille, die treibende Kraft nach Schopenhauer, sich selbst am Leben erhalten.
"Neminem laede, immo omnes, quantum potes, iuva."
"Verletze niemanden, vielmehr hilf allen, soweit du kannst."
- Das Prinzip aller Moral
"Mitleid mit den Tieren hängt mit der Güte des Charakters so genau zusammen, daß man zuversichtlich behaupten darf, wer gegen Tiere grausam ist, könne kein guter Mensch sein."
"Wohin ist Gott? rief er, ich will es euch sagen! Wir haben ihn getödtet, – ihr und ich! Wir Alle sind seine Mörder! Aber wie haben wir diess gemacht? Wie vermochten wir das Meer auszutrinken? Wer gab uns den Schwamm, um den ganzen Horizont wegzuwischen? Was thaten wir, als wir diese Erde von ihrer Sonne losketteten? Wohin bewegt sie sich nun? Wohin bewegen wir uns? Fort von allen Sonnen? Stürzen wir nicht fortwährend? Und rückwärts, seitwärts, vorwärts, nach allen Seiten? Giebt es noch ein Oben und ein Unten? Irren wir nicht wie durch ein unendliches Nichts? Haucht uns nicht der leere Raum an? Ist es nicht kälter geworden? Kommt nicht immerfort die Nacht und mehr Nacht? […] Gott ist todt! Gott bleibt todt! Und wir haben ihn getödtet! Wie trösten wir uns, die Mörder aller Mörder?"
Nietzsche kommt zu dem Schluss, dass mehrere mächtige Strömungen, vor allem das Aufkommen der Naturwissenschaften und der Geschichtswissenschaft, daran mitgewirkt haben, die christliche Weltanschauung unglaubwürdig zu machen und damit die christliche Zivilisation zu Fall zu bringen. Durch die Kritik der bestehenden Moral, wie Nietzsche selbst sie betreibt, werde die Moral hohl und unglaubwürdig und breche schließlich zusammen. Mit dieser radikalisierten Kritik steht Nietzsche einerseits in der Tradition der französischen Moralisten, wie etwa Montaigne oder La Rochefoucauld, die die Moral ihrer Zeit kritisieren, um zu einer besseren zu gelangen; andererseits betont er mehrfach, er bekämpfe nicht nur die Heuchelei von Moral, sondern die herrschenden "Moralen" selbst – im Wesentlichen immer die christliche. Um dies in einen Begriff zu fassen, bezeichnet er sich selbst als "Immoralisten".
Es besteht heute weitgehende Übereinstimmung, dass Nietzsche sich nicht als Befürworter des Nihilismus verstand, sondern ihn als Möglichkeit in der (nach-)christlichen Moral, vielleicht auch als eine geschichtliche Notwendigkeit sah. Über den Atheismus Nietzsches im Sinne des Nichtglaubens an einen metaphysischen Gott sagen diese Stellen wenig aus.
Nietzsches zuerst in Die fröhliche Wissenschaft auftretender und in Also sprach Zarathustra als Höhepunkt vorgeführter „tiefster Gedanke“, der ihm auf einer Wanderung im Engadin nahe Sils-Maria kam, ist die Vorstellung, dass alles Geschehende schon unendlich oft geschah und unendlich oft wiederkehren wird. Man solle deshalb so leben, dass man die immerwährende Wiederholung eines jeden Augenblickes nicht nur ertrage, sondern sogar begrüße. „Doch alle Lust will Ewigkeit – will tiefe, tiefe Ewigkeit“ lautet folglich ein zentraler Satz in Also sprach Zarathustra. Eng mit der „Ewigen Wiederkunft“, für die Nietzsche trotz seiner nur sehr oberflächlichen naturwissenschaftlichen Bildung auch wissenschaftliche Begründungen zu geben versuchte, hängt wohl der Amor fati (lat. „Liebe zum Schicksal“) zusammen. Dies ist für Nietzsche eine Formel zur Bezeichnung des höchsten Zustands, den ein Philosoph erreichen kann, die Form der höchstgesteigerten Lebensbejahung.
Über die „ewige Wiederkunft“, ihre Bedeutung und Stellung in Nietzsches Gedanken herrscht keine Einigkeit. Während einige Deuter sie als Zentrum seines gesamten Denkens ausmachten, sahen andere sie bloß als fixe Idee und störenden „Fremdkörper“ in Nietzsches Lehren.
An einen Fortschritt in der Geschichte der Menschheit – oder in der Welt überhaupt – glaubt Nietzsche nicht. Für ihn ist folglich das Ziel der Menschheit nicht an ihrem (zeitlichen) Ende zu finden, sondern in ihren immer wieder auftretenden höchsten Individuen, den Übermenschen. Die Gattung Mensch als Ganzes sieht er nur als einen Versuch, eine Art Grundmasse, aus der heraus er „Schaffende“ fordert, die „hart“ und mitleidlos mit anderen und vor allem mit sich selbst sind, um aus der Menschheit und sich selbst ein wertvolles Kunstwerk zu schaffen. Als negatives Gegenstück zum Übermenschen wird in Also sprach Zarathustra der letzte Mensch vorgestellt. Dieser steht für das schwächliche Bestreben nach Angleichung der Menschen untereinander, nach einem möglichst risikolosen, langen und „glücklichen“ Leben ohne Härten und Konflikte. Das Präfix „Über“ in der Wortschöpfung „Übermensch“ kann nicht nur für eine höhere Stufe relativ zu einer anderen stehen, sondern auch im Sinne von „hinüber“ verstanden werden, kann also eine Bewegung ausdrücken. Der Übermensch ist daher nicht unbedingt als Herrenmensch über dem letzten Menschen zu sehen. Eine rein politische Deutung gilt der heutigen Nietzscheforschung als irreführend. Der „Wille zur Macht“, der sich im Übermenschen konkretisieren soll, ist demnach nicht etwa der Wille zur Herrschaft über andere, sondern ist als Wille zum Können, zur Selbstbereicherung, zur Selbstüberwindung zu verstehen.
In seiner Streitschrift Zur Genealogie der Moral erklärt der Philosoph Friedrich Nietzsche, dass es gerade die Angehörigen der „vornehmen Rasse“ sind, „welche durch gegenseitige Bewachung, durch Eifersucht inter pares in Schranken gehalten sind“, und dass ebendiese das Bedürfnis haben, von Zeit zu Zeit die Enge der Zivilisation zu verlassen. So wird der Vertreter der Herrenmoral eine „nach Beute und Sieg lüstern schweifende blonde Bestie“:
„Auf dem Grunde aller dieser vornehmen Rassen ist das Raubthier, die prachvolle nach Beute und Sieg lüstern schweifende blonde Bestie nicht zu verkennen; es bedarf für diesen verborgenen Grund von Zeit zu Zeit der Entladung, das Thier muß wieder heraus, muss wieder in die Wildnis zurück: – römischer, arabischer, germanischer, japanischer Adel, homerische Helden, skandinavische Wikinger – in diesem Bedürfniss sind sie sich alle gleich.“
Diesen zoologischen Terminus erläutert Nietzsche wenn er über die Zähmung der „Bestie Mensch“ spricht:
„‚Im frühen Mittelalter, wo in der Tat die Kirche vor Allem eine Menagerie war, machte man allerwärts auf die schönsten Exemplare der ‚blonden Bestie’ Jagd – man ‚verbesserte’ zum Beispiel die vornehmen Germanen. Aber wie sah hinterdrein ein solcher ‚verbesserter’, ins Kloster verführter Germane aus? Wie eine Karikatur des Menschen, wie eine Mißgeburt: er war zum ‚Sünder’ geworden, er stak im Käfig.’“
„…Die natürliche Einsicht läßt jeden erkennen, dass, da der Mensch vernunftbegabt geschaffen ist, er alles nur aus der Vernunft heraus tun darf, denn sonst würde er gegen seine Natur handeln und folglich gegen die Grundlage seines eigenen Wesens … Wenn der Mensch in hervorragender Weise vernunftbegabt ist, so muß er in hervorragender Weise auch die Vernunft regieren lassen. Das aber erfordert nicht nur, dass er nichts ohne sie tut, sondern es verpflichtet ihn noch zu mehr, nämlich dass alle, die unter seiner Herrschaft stehen, sie verehren und ihr gläubig folgen … Die Praxis dieser Regel ist umso leichter, als die Liebe das mächtigste Motiv ist, das zum Gehorsam verpflichtet, und als es unmöglich ist, dass die Untertanen einen Fürsten nicht lieben, wenn sie wissen, dass die Vernunft Führerin ist. Die Autorität zwingt, aber die Vernunft überzeugt zum Gehorsam, und es ist viel richtiger, die Menschen durch Mittel dazu zu führen, die unmerklich ihren Willen gewinnen, als durch solche, die sich oft erst durch Zwang zum Handeln bewegen.“
„Die öffentlichen Interessen müssen das einzige Ziel des Fürsten und seiner Minister sein, oder sie beide müssen sich wenigstens so angelegen sein lassen, dass sie sich allen Sonderinteressen vorziehen. Es ist unmöglich, das Gute zu begreifen, dass ein Fürst und die, deren er sich bei seinen Angelegenheiten bedient, tun können, wenn sie gewissenhaft diesem Grundsatz folgen, und man kann sich nicht übel vorstellen, das einem Staate zustößt, wenn man die Sonderinteressen den öffentlichen vorzieht, und wenn die letzteren durch die ersteren bestimmt werden…“
Bacons System der Idole hat sein Vorbild in Ciceros Typologie und dessen Konzeption, dass wir Menschen untereinander vier Arten von "Masken" (Verhaltensweisen) tragen. Es gebe erworbene und angeborene Vorurteile; letztere seien der Natur des Intellekts eigen. Bacon unterscheidet beim Forscher vier Gruppen dieser Idole:
Verblüffend sind die Ähnlichkeiten mit Bacons Namensvetter Roger Bacon, der drei Jahrhunderte früher lebte und zu Beginn des 17. Jahrhunderts völlig vergessen war. Roger machte vier offendicula der Erkenntnis aus, die uns den Weg zur wahren Naturerkenntnis versperren: Respekt vor Autoritäten; Gewohnheit; Abhängigkeit von den Meinungen der Menge; Unbelehrbarkeit unserer Sinne; sie decken sich fast vollständig mit den idola. Auch prophezeite Roger – wie Francis Bacon – der menschlichen Erfindungskunst eine unabsehbare Entwicklung. Weiter: die Naturbeobachtung und das Experiment seien der einzige Weg zum gesicherten Wissen: sine experientia nihil sufficienter sciri potest (ohne Erfahrung kann man kein hinreichendes Wissen erlangen). Anders als sein Namensvetter, der fruchtbarer Forscher und Erfinder war, war Francis Bacon jedoch kein Mann der Praxis.
Der berühmte Satz von der „besten aller möglichen Welten“ ist oft missverstanden worden, unter anderem hat ihn Voltaire in seinem Roman Candide parodiert. Die Idee der „besten aller möglichen Welten“ soll nicht in naiver Weise tatsächliches und großes Übel in der Welt leugnen oder schönreden. Vielmehr weist Leibniz auf einen notwendigen Zusammenhang zwischen Gutem und Üblem hin: Es gebe nämlich Gutes, das nur zum Preis der Existenz von Übel zu haben ist. Die wirkliche Welt ist die beste u. a. in dem Sinne, dass das Gute in ihr auch von Gott nicht mit einem geringeren Maß an Übel verwirklicht werden kann. Außerdem ist die „beste aller möglichen Welten“ dynamisch gedacht: Nicht der derzeitige Zustand der Welt ist der bestmögliche, sondern die Welt mit ihrem Entwicklungspotential ist die beste aller möglichen Welten.
Gerade dieses Entwicklungspotential ermöglicht es, den derzeitigen Zustand zu verbessern, nicht hin auf einen utopischen Endpunkt, sondern immer weiter, in einem nicht endenden Prozess der ständigen sich überbietenden Entwicklung.
Leibniz argumentiert einerseits, dass einige der Übel nur scheinbar sind, bzw. dass weniger Übel an einer Stelle ein mehr an anderer Stelle notwendig machen würde. Auch führt er zum Beispiel die Vielfalt an, die die Qualität der Welt ausmache. Es gibt aber auch einen logischen Grund, warum diese die beste aller möglichen Welten sein muss. Wenn nämlich Gott eine Welt aus dem Möglichen ins Wirkliche überführen möchte, so braucht er einen zureichenden Grund, da er nicht willkürlich wählen kann. Das einzige Kriterium, das eine Welt aber qualitativ von allen anderen unterscheidet, ist, die beste zu sein. Im Gegensatz etwa zu Descartes vertritt Leibniz die Ansicht, dass Gott logische Wahrheiten nicht schaffen oder ändern kann. Die Summe aller möglichen Welten findet Gott ebenso vor wie mathematische Sätze. Er hat darum auf den Zustand und die Geschehnisse innerhalb einer Welt keinen Einfluss. Selbst wenn er – Naturgesetze außer Kraft setzend – ein Wunder wirkt, so ist dieses Wunder mit der Auswahl der möglichen Welt schon ein für allemal festgelegt.
Ein Teilaspekt davon ist: Gott hat unter allen möglichen Welten die beste geschaffen. Da er allmächtig, allwissend und allgütig ist, musste er das auch. Die in der Welt vorkommenden Übel stehen dem nicht entgegen. Leibniz unterscheidet sie nach drei Typen:
Nach Leibniz gibt es keinen Widerspruch zwischen Determinismus und Freiheit. Obwohl mit der Wahl der Welt jede Handlung eines Menschen zum Beispiel vollständig unverrückbar festliegt, so ist die Tatsache, dass sich ein Mensch in einer Situation so und nicht anders verhält, völlig frei (im Sinne von unvorhersehbar). Dass sich ein Mensch so verhält (so verhalten würde), ist gerade der Grund, warum die Welt gewählt wurde. Ein anderes Verhalten wäre entweder logisch nicht möglich (nicht kompossibel mit dem Rest der Welt) oder würde eine moralisch schlechtere Welt bedingen.
Aber er stellt auch fest, dass Gottes Wille durch reines Nachdenken und Weltbeobachtung erkennbar ist (vgl. Natürliche Theologie).
John Locke hatte starken Einfluss auf viele Staaten- und Bündnis-erzeugten Gesetztesgrundlagen. Die Verfassung der Vereinigten Staaten geht zu großen Teilen auf seine Gedanken zurück:
“We hold these truths to be self-evident, that all men are created equal, that they are endowed by their Creator with certain unalienable Rights, that among these are Life, Liberty and the pursuit of Happiness. – That to secure these rights, Governments are instituted among Men, deriving their just powers from the consent of the governed, – That whenever any Form of Government becomes destructive of these ends, it is the Right of the People to alter or to abolish it,”
„Wir halten diese Wahrheiten für ausgemacht, dass alle Menschen gleich erschaffen worden, dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt worden, worunter sind Leben, Freiheit und das Streben nach Glückseligkeit. Dass zur Versicherung dieser Rechte Regierungen unter den Menschen eingeführt worden sind, welche ihre gerechte Gewalt von der Einwilligung der Regierten herleiten; dass sobald eine Regierungsform diesen Endzwecken verderblich wird, es das Recht des Volkes ist, sie zu verändern oder abzuschaffen, und eine neue Regierung einzusetzen,“
Erkenntnis ist Locke zufolge die Perzeption (Wahrnehmung) der Übereinstimmung oder Nichtübereinstimmung von Ideen. Zur Erkenntnis bedarf es also des Urteils, ob eine Aussage gültig ist.
Locke begründet als erstes das Recht „a man has to subsist and enjoy the conveniences of life.“ (Das Recht eines Menschen, die Annehmlichkeiten des Lebens zu genießen und zu erhalten) (I 97, II, 2–3). Wichtig ist hier, dass dieses Recht nicht nur die reine Selbsterhaltung einschließt, sondern auch die Freude am eigenen Leben. Folgend seiner Konzeption der Naturrechte und des daraus resultierenden Naturzustandes bedeutet es auch, dass das Leben der Menschen bereits im Naturzustand gesichert ist. Anders als bei Hobbes kann die Aufgabe der Regierung nicht nur sein, das Leben der Menschen zu schützen.
“Freedom to order their Actions, and dispose of their Possessions and Persons as they think fit, within the bounds of the Law of Nature, without asking leave, or depending upon the Will of any other man.”
„[Der Naturzustand] ist ein Zustand vollkommener Freiheit, innerhalb der Grenzen des Naturgesetzes seine Handlungen zu lenken und über seinen Besitz und seine Person zu verfügen, wie es einem am besten scheint – ohne jemandes Erlaubnis einzuholen und ohne von dem Willen eines anderen abhängig zu sein.“
Locke definiert aber auch eine legitime totale Einschränkung der Freiheit: Sklaverei. Menschen können andere Menschen in dem Moment legitim versklaven, in dem letztere einen ungerechten Krieg beginnen und verlieren. Der Sieger hat, um den Krieg zu beenden, in diesem Moment nur die Wahl, seinen Gegner entweder zu töten oder zu versklaven. Bietet aber der Verlierer als Akt der Reue eine angemessene Wiedergutmachung für das von ihm verschuldete Unrecht an, so muss der Sieger der Vernunft des Naturgesetzes folgen und den Kriegszustand beenden. Beide Parteien verfügen nun wieder über die absolute Freiheit, die dem Naturzustand innewohnt. Der Historiker David Brion Davis sieht in Locke den letzten großen Philosophen, der die absolute und immerwährende Sklaverei zu rechtfertigen versucht.
Es ist bezeichnend für Lockes Denken, dass er die Gleichheit der Menschen, einschließlich der Gleichheit von Mann und Frau, nicht aus philosophischen Prämissen herleitet, sondern aus 1. Mose 1, 27 f, der Grundlage der theologischen Imago-Dei-Lehre. Gleichheit ist für Locke die Voraussetzung dafür, dass eine Regierung Macht nur mit Einverständnis der Regierten ausüben darf. Insofern ist sie auch Voraussetzung von Freiheit und die unabdingbare Grundlage jeder rechtsstaatlichen Demokratie.
Die Argumentation Lockes zum Eigentum verläuft zweistufig. In der ersten Stufe, der Arbeitstheorie, begründet er, wie Menschen überhaupt rechtmäßig Privateigentum erwerben können. Im ersten Schritt widerspricht er der absolutistischen These, die nur dem König legitime Eigentumsrechte zubilligt. Sie lautet, dass die Welt Adam, Noach und dann ihren Nachfahren, den Königen gegeben worden sei, um über sie zu herrschen. Nach Locke gab Gott die Natur allen Menschen gemeinsam (siehe 1. Mose), begründungsbedürftig ist vielmehr, dass Einzelne sich Privateigentum aneignen können und damit den anderen Menschen Zugriff auf diesen Teil der Natur verwehren.
Noch vor Charles de Montesquieu entwickelt Locke innerhalb der zweiten Abhandlung über die Regierung (und zwar im 12. bis 14. Kapitel) eine Theorie der Gewaltenteilung. Er sieht zwei bereits im Naturzustand dem Einzelnen zugeschriebene, durch den Gesellschaftsvertrag aber abgegebene Gewalten, und zwar die Exekutive und die Föderative. Im Staat kommen die Legislative und die Prärogative hinzu. Unter Föderative versteht Locke die Gewalt, die Entscheidungen über Bündnisse und damit über Krieg und Frieden trifft, unter Prärogative eine der Exekutive zugeordnete Gewalt, die auch außerhalb des Gesetzes nach eigener Entscheidung für das öffentliche Wohl handelt.
Der Daseinszweck der Regierung sei es, Leben, Freiheit und Eigentum zu schützen;
Ausgehend von der Entwicklung des Gesellschaftsvertrages entwickelt Locke Maßstäbe, nach denen sich die Legitimität einer Regierung entscheiden lässt: Legitim sind Regierungen, welche die natürlich gegebenen Rechte des Menschen beschützen; illegitim diejenigen, die sie verletzen. Da eine illegitime Regierung danach keine Existenzberechtigung hat, ist es wiederum rechtmäßig, gegen eine solche Regierung zu rebellieren.
Erkenntnis für freie Menschen (englisch: Science in a Free Society) ist ein 1978 veröffentlichtes Buch des österreichischen Wissenschaftsphilosophen Paul Feyerabend. In dem Buch verteidigt Feyerabend das Projekt einer relativistischen und anarchistischen Wissenschaftstheorie. Feyerabend hatte diese Position bereits 1975 in Wider den Methodenzwang (Against Method) dargelegt und drei zentrale Thesen formuliert: Zunächst zeige die Wissenschaftsgeschichte, dass es keine allgemeine Methode gibt, an die sich die Wissenschaften halten. Zudem könne es auch prinzipiell keine allgemeingültige Methode geben, Wissenschaft sei nur unter den Bedingungen des Methodenpluralismus produktiv. Schließlich folge aus dem Fehlen einer allgemein ausgezeichneten Methode die relativistische These, dass die wissenschaftliche Beschreibung der Welt anderen Traditionen nicht überlegen sei.
In Erkenntnis für freie Menschen verknüpft Feyerabend seine wissenschaftstheoretische Position zudem mit einer gesellschaftstheoretischen und wissenschaftspolitischen Konzeption. Nach Feyerabend legt die Vielzahl unterschiedlicher Wissenstraditionen eine grundlegend neue Organisation des Wissenschaftsbetriebs nahe. Nicht Fachwissenschaftler und Wissenschaftsphilosophen sollen bestimmen, welche Forschungsprogramme und Weltanschauungen innerhalb einer Gesellschaft gefördert werden sollen. Vielmehr sollten Bürger in einem demokratischen Prozess über derartige Fragen entscheiden. Dabei sollten sie auch das Recht haben, sich gegen die vorherrschende wissenschaftliche Rationalität zu entscheiden; „Bürgerinitiativen statt Erkenntnistheorie“ ist daher eine zentrale Forderung Feyerabends.
Feyerabend fühlte sich unverstanden und die Reaktionen auf Wider den Methodenzwang empfand er selbst als verletzend. In der Folge litt Feyerabend an Depressionen: „Mein Privatleben war ein Scherbenhaufen, ich war ohne Schutz. Ich habe oft gewünscht, daß ich dieses idiotische Buch [englisch: fucking book] nie geschrieben hätte.“ Schließlich entstand Erkenntnis für freie Menschen auch als Verteidigung der Thesen aus Wider den Methodenzwang. Allerdings reagierte Feyerabend auf die als verletzend empfundene Kritik selbst mit einer scharfen Rhetorik. So schrieb er etwa mit Bezug auf den kritischen Rationalisten Helmut Spinner „Aber Helmut, Baby, reg Dich doch nicht so auf! Was willst Du eigentlich?“
Erkenntnis für freie Menschen war jedoch nicht nur eine wütende Verteidigung der Thesen von Wider den Methodenzwang. Feyerabend legte in dem Buch insbesondere seine wissenschaftspolitischen Überzeugungen erstmals ausführlich dar. Zwar wurde schon im Schlusskapitel von Wider den Methodenzwang die Trennung von Staat und Wissenschaft gefordert, allerdings findet sich erst in Erkenntnis für freie Menschen eine ausführliche Darstellung von Feyerabends Ideal einer freien Gesellschaft. Dieses Ideal hatte sich u.a. im Zusammenhang mit den Studentenbewegungen in Berkeley und an der Freien Universität Berlin gebildet, wo Feyerabend in den 1960er Jahren lehrte. Feyerabend beschreibt insbesondere die kulturelle Vielfalt in Berkeley als ein prägendes Erlebnis. Die Bildungsreformen ermöglichten zunehmend Minderheitengruppen das Studium an der öffentlich finanzierten University of California, Berkeley - etwa Chicanos, Afroamerikanern und Native Americans. Feyerabend beschreibt seine Zweifel in dieser Situation wie folgt: „Wer war ich, um diesen Menschen zu erklären, was und wie sie denken sollten? Ich hatte keine Ahnung von Ihren Problemen, obwohl ich wusste, dass sie viele Probleme hatten. Ich kannte nicht ihre Interessen, ihre Gefühle, ihre Ängste, ihre Hoffnungen […]. Denn diese Aufgabe [gemeint ist das Dozieren der Tradition des westlichen Rationalismus] war die eines gebildeten und vornehmen Sklavenhalters. Und ein Sklavenhalter wollte ich nicht sein.“
Rationalisten können den Allgemeingültigkeitsanspruch ihrer Tradition mit folgendem Argument verteidigen: Es gibt selbstverständlich zahlreiche Traditionen, die unterschiedliche Maßstäbe bei der Bewertung und Rechtfertigung von Überzeugungen anlegen. Allerdings führen derartige Maßstäbe häufig zu falschen Überzeugungen, während die rationale Methode den besten Leitfaden zur Erforschung der Realität bietet. Daher sind die Wissenschaften durch die rationale Methode bestimmt und daher sollten rationale Maßstäbe in Wissenschaft und Gesellschaft gefördert werden.
Nach Feyerabend ist diese Argumentation gleich in doppelter Hinsicht fehlerhaft. Zum einen halten sich die Naturwissenschaften gar nicht an die Maßstäbe der Rationalisten. Feyerabend bezieht sich hier auf ein wissenschaftshistorisches Argument, das bereits von Thomas Kuhn in The Structure of Scientific Revolutions entwickelt und in Against Method von Feyerabend selbst radikalisiert wurde. Gerade die großen wissenschaftlichen Revolutionen gehorchen nicht dem rationalistischen Modell. Der Wandel vom geozentrischen Weltbild zum heliozentrischen Weltbild lasse sich etwa nicht als Ergebnis des rationalen Abwägens von Daten und Argumenten verstehen. Das von Kopernikus entwickelte Modell hatte zahlreiche Probleme und selbst nach Galileis astronomischen Beobachtungen war es nach Feyerabend rational, an dem alten, geozentrischen Weltbild festzuhalten. Galilei hatte seine Beobachtungen mit Hilfe des neu entwickelten Fernrohrs angestellt, es habe jedoch zu Galileis Zeiten keinen Grund gegeben zu akzeptieren, dass Fernrohrbeobachtungen tatsächlich korrekt Himmelserscheinungen (und nicht etwa Instrumentartefakte) abbilden. Schon in Against Method stellt Feyerabend die Durchsetzung des heliozentrischen Weltbildes wie folgt dar: „Galilei behält aufgrund seines Stils und seiner geschickten Überredungsmethoden die Oberhand, weil er auch in Italienisch und nicht nur Latein schreibt und weil er sich an Leute wendet, die gefühlsmäßig gegen die alten Ideen und die mit ihnen verbundenen Maßstäben der Gelehrsamkeit eingenommen sind.“ Die wissenschaftshistorischen Studien sollen zeigen, dass die großen wissenschaftlichen Neuerungen nach rationalistischen Maßstäben irrational waren. Produktive, wissenschaftliche Forschung darf sich nicht an das Diktat einer Methode halten, vielmehr muss sie auf opportunistische Weise Methoden ausprobieren, aufgeben und variieren.
Das zweite Argument gegen die rationalistische Methode basiert auf der Frage, wie die Überlegenheit einer Tradition begründet werden könnte. Es reicht selbstverständlich nicht aus, wenn Rationalisten erklären, dass ihre Maßstäbe den Maßstäben anderer Traditionen überlegen sind; sie müssen die behauptete Überlegenheit nachweisen. Dies ist nach Feyerabend aber unmöglich, da es keine traditionenunabhängigen Kriterien für die Überlegenheit einer Tradition gibt. Zwar werden den Rationalisten ihre Methoden unter Bezug auf die selbstgesetzten Ziele und Maßstäbe als überlegen erscheinen. Dies ist jedoch nicht weiter verwunderlich, jede Tradition kann sich unter Bezug auf selbstgesetzte Ziele und Maßstäbe rechtfertigen. Für die Entscheidung zwischen verschiedenen Maßstäben bzw. Traditionen braucht man selbst wiederum Maßstäbe (gelegentlich „Super-Maßstäbe“ genannt) und diese sind nur innerhalb einer Tradition zu haben. Die relativistische Schlussfolgerung lautet: Es ist nicht möglich, Traditionen aus einer neutralen Perspektive als besser - schlechter oder wahr - falsch zu bewerten. Traditionen müssen folglich als gleichberechtigt betrachtet werden, Allgemeingültigkeitsansprüche sind nicht mehr als autoritäre Machtansprüche. Die Radikalität dieser Argumentation wird etwa in Feyerabends Schilderung einer mystischen Methode deutlich:
„Aber ein Mystiker, der durch eigene Kraft seinen Leib verlassen und Gott selbst gegenübertreten kann, wird kaum davon beeindruckt sein, daß es zwei sorgfältig eingewickelten und nicht besonders gescheiten Menschenkindern mit der Unterstützung von Tausenden von wissenschaftlichen Sklaven und Milliarden von Dollars gelang, einige unbeholfene Sprünge auf einem trockenen Stein auszuführen – dem Mond –, und er wird die Abnahme und fast völlige Zerstörung der spirituellen Fähigkeiten der Menschen bedauern, die ein Ergebnis des wissenschaftlich-materialistischen Klimas unserer Zeiten sind. Man kann sich natürlich über diesen Einwand zu Tode lachen – Argumente gegen ihn hat man nicht.“
Theokratische Gesellschaften leiden nach Feyerabend an der mangelnden Trennung von Staat und Religion, marxistische Gesellschaften unter dem Fehlen einer Trennung von Staat und marxistischer Philosophie. Auf ähnliche Weise leiden moderne, westliche Gesellschaften unter der Verquickung von Staat und Wissenschaften. Menschen werden von der Geburt bis zum Tod in eine wissenschaftlich-technische Umwelt gezwungen, gegen die sie sich nicht entscheiden können. In der Schule sind wissenschaftliche Fächer wie Physik und Geschichte verpflichtend. Schüler können sich nicht entscheiden, ob sie sich etwa lieber dem Studium von Legenden und Mythen widmen wollen. Feyerabend unterscheidet zwei Grundeinstellungen, die man gegenüber der Traditionenvielfalt einnehmen kann:
Der Relativismus ist nach Feyerabend eine Variante des opportunistischen Aufnehmens, während moderne, westliche Gesellschaften auf eine Zerstörung nichtrationalistischer Traditionen ausgelegt sind. An dem totalitären Charakter moderner Wissenschaftsgesellschaften ändert nach Feyerabend auch die individuelle Meinungsfreiheit nichts. Man kann Feyerabends Idee am Beispiel der Religionsfreiheit erörtern. Eine Gesellschaft kann gravierende Mängel in Bezug auf Religionsfreiheit haben, auch wenn sich Individuen für ihre Religion entscheiden können. Dies ist etwa der Fall, wenn in Schulen und Universitäten nur eine Religion gelehrt werden darf, sie durch den Staat massiv unterstützt wird, eine Voraussetzung für akademische Stellen ist, in den Medien nahezu alleine präsent ist, Vertreter anderer Religionen sozial stigmatisiert werden und so weiter.
Feyerabends zentrales Argument für die Pluralität und Gleichberechtigung der Traditionen basiert auf seinem wissenschaftstheoretischen Relativismus: Es gibt keine Tradition, die allen anderen überlegen ist und zu der einzig wahren Beschreibung der Welt führt. Traditionen sind immer nur relativ zu den Interessen, Wünschen und Zielen der Menschen besser oder schlechter. Die Durchsetzung einer einzigen Tradition in der Gesellschaft ist daher durch nichts zu rechtfertigen und einfach ein autoritäres, freiheitsfeindliches Verfahren.
Unter Bezug auf John Stuart Mills Aufsatz On Liberty formuliert Feyerabend jedoch noch ein weiteres Argument, das unabhängig von seiner wissenschaftstheoretischen Position ist: Bürger haben nicht nur als Privatpersonen das Recht, sich für eine Tradition zu entscheiden und gemäß dieser zu leben. Da sie die staatlichen Institutionen finanzieren und konstituieren, haben sie auch das unveräußerliche Recht, über die Ausrichtung dieser Institutionen zu bestimmen: „Oberschulen, Volksschulen, Landesuniversitäten, Institutionen wie die National Science Foundation, die von Steuergeldern finanziert werden, unterliegen alle dem Urteil der Steuerzahler. Wenn die Steuerzahler in Kalifornien wünschen, daß Landesuniversitäten Wodu, Volksmedizin, Astrologie, Regentanzzeremonien lehren, dann müssen diese Gegenstände eben in den Lehrplan eingegliedert werden.“
Die Autorität der Bürger über ihre Institutionen ist nach Feyerabend vollkommen unabhängig von Wahrheitsfragen zu klären, sie ist einfach ein unveräußerlicher Bestandteil einer freien, demokratischen Gesellschaft. Dies ist auch dann zu akzeptieren, wenn bei den Bürgerentscheidungen die Wahrheit an Stellen auf der Strecke bleibt. Das Verhältnis von Wahrheit und Demokratie ist laut Feyerabend dem Verhältnis von Krieg und Demokratie ganz ähnlich. Es gibt im Krieg demokratische Werte (etwa die Menschenwürde), die so zentral sind, dass sie auch um des Sieges willen nicht geopfert werden dürfen. In gleicher Weise gibt es demokratische Werte (das Recht der Bürger über ihre Institutionen zu bestimmen), die auch um der Wahrheit willen nicht geopfert werden dürfen.
Feyerabend weiß, dass sein Eintreten für eine relativistische Gemeinschaft vielen Menschen unheimlich erscheinen muss: „man hat die Gesetze nicht nur zu intellektuellen, sondern auch zu emotionalen Führern des eigenen Verhaltens gemacht. Nicht nur eine abstrakte Idee, sondern Gefühle des Mitleidens, der Solidarität mit dem Unglück anderer, der Abscheu vor allem, was Schmerzen bereitet und Menschenwürde verletzt, richtet sich gegen Ritualmorde, das Aussetzen von Kleinkindern, strenge Bestrafungen für Vergehen, die uns nichtig erscheinen, Euthanasie.“ Natürlich sei es verstörend, dass Personen alles negieren können sollen, was die eigene intellektuelle, moralische und persönliche Identität ausmacht. Allerdings impliziere die Idee einer wirklich freien Gesellschaft, dass Menschen das Recht haben, ihre Tradition zu wählen - wie unmenschlich sie auch aus der eigenen Perspektive erscheinen mag. Der Staat hat nur das Recht der Bürger zu schützen, ihre Traditionen frei wählen und auch verlassen zu können. „Finden Menschen ihr Glück darin, daß sie sich in gefährlichen Kriegsspielen gegenseitig abschlachten, so lasse man ihnen dieses Vergnügen.“ Wer nicht akzeptieren kann, dass sich Menschen frei für eine radikal verschiedene Lebensform entscheiden dürfen, der versucht nach Feyerabend einfach nur die eignen Vorstellungen vom guten oder moralischen Leben anderen Menschen autoritär aufzuzwingen.
Eines der bekanntesten Beispiele aus Paul Watzlawicks Buch Anleitung zum Unglücklichsein ist „Die Geschichte mit dem Hammer“, die von einem Mann erzählt, der ein Bild aufhängen will, aber keinen Hammer zur Hand hat. Er beschließt, zum Nachbarn zu gehen und sich dessen Hammer zu borgen, doch kommen ihm Zweifel, ob ihm der Nachbar seinen Hammer ausleihen würde. Dann fallen ihm noch weitere Verhaltensweisen des Nachbarn ein, die auf Feindseligkeit ihm gegenüber hindeuten könnten (wahrscheinlich aber auch reiner Zufall sind). Zornig stürmt der Mann schließlich zum Nachbarn und brüllt ihn an:
„Behalten Sie Ihren Hammer, Sie Rüpel!“
Mit der kleinen Geschichte will Watzlawick verdeutlichen, dass die innere Einstellung zum Gesprächspartner indirekt auch den Verlauf eines Gesprächs bestimmt und dass es nicht sinnvoll ist, sich in unfundierte Mutmaßungen über die Gedanken und Gefühle des anderen hinein zu steigern.
Seine Lehre begründet Ohsawa in den „großen Religionen des Fernen Ostens“, deren Grundanliegen er darin sah, den Menschen zu Glück und Gesundheit hier auf Erden zu verhelfen und nicht erst in ferner Zukunft. Hierbei berief er sich insbesondere auf den Zen-Buddhismus beziehungsweise die angeblich makrobiotische Ernährung in Zen-Klöstern. Die vermeintliche Gesundheit und Langlebigkeit der Zen-Mönche führt er als Beispiel für die heilsame Wirkung der Makrobiotik an.
Er bedauerte den Autoritätsverlust der Religionen in der Moderne, wodurch seiner Auffassung nach die „Prinzipien des Lebens und der Natur“ nicht mehr ausreichend Beachtung finden. Den wichtigsten religiösen Aspekt sieht er im daoistischen Prinzip (chin. dàojiào „Lehre des Weges“) von Yin und Yang. Nach Ohsawas Meinung konnte nur durch Befolgen dieser Lehre individuelles Lebensglück erreicht werden:
„Für diejenigen, die das praktische Paradoxon des Yin/Yang-Denkens verstehen, ist das Leben eine ständige Ausbildung an der größten aller Universitäten, Unterricht frei und ohne Gebühren. Für diejenigen, die nichts von Yin und Yang wissen, kann das Leben die Hölle sein.“
Seine eigene Lehre bezeichnete er als das „einzige Prinzip“, einen Schatz und zugleich ein wertvolles Geschenk an die westliche Welt.
Glück und Gesundheit bedingen nach Ohsawa einander unmittelbar. Er benennt in Anlehnung an die „alten Weisen“ fünf Glücksmerkmale, die sich auch in kleinsten Einzelheiten des täglichen Lebens zeigen und von ihm als individueller Ausdruck von Göttlichkeit und Ordnung des Universums angesehen werden:
Nach Ohsawa kann ein Mensch durch das Befolgen der makrobiotischen Richtlinien einen Zustand vollkommener Gesundheit erlangen. Zur Überprüfung des eigenen Gesundheitszustandes empfahl er unter Berufung auf „die östliche Weisheit“ folgende Kriterien:
Mit dem japanischen Wort Sanpaku bezeichnet Ohsawa die allgemeine Situation des westlichen Menschen. Dieser Begriff steht sowohl für eine Krankheit des Körpers wie auch für einen gefährlichen Zustand von Geist und Seele. Den Sanpaku-Menschen sieht er als völlig aus dem Gleichgewicht geraten. Insbesondere bestehe eine große Anfälligkeit für Unfälle und Krankheiten.
Wörtlich übersetzt bedeutet Sanpaku drei (san) Weiß (paku). Damit ist ein Aussehen eines Auges gemeint, bei dem die Iris von drei weißen Flächen umgeben ist, wenn es entspannt geradeaus schaut und sich unterhalb der Iris eine deutliche weiße Fläche befindet. Bei einem Neugeborenen ruht der untere Rand der Iris noch unter dem unteren Augenlid, die Iris schaut aus wie eine auf- oder untergehende Sonne. Wird der Mensch alt oder krank, verändert das Auge dieser Auffassung gemäß sein Aussehen hin zum typischen Sanpaku-Zustand.
Ohsawa zufolge gibt es nur eine wirkliche Krankheit:
„[…] die ursprüngliche Sünde, ein Verspotten der Naturgesetze, eine Verleugnung der Wahrheit durch nichts als Unwissenheit oder nichts als Eigensinn, ein Auflehnen des eigenen Ich gegen die unveränderliche, uranfängliche Ordnung des Universums.“
Für ihn wird „jede Krankheit durch ein Ungleichgewicht von Yin und Yang verursacht“.
Folgerichtig hielt Ohsawa unheilbare Krankheiten für eine überhebliche menschliche Erfindung, weil sie göttliche Schuld an die Stelle menschlicher Eigenverantwortung setzt. Er war sich sicher, dass es keine Krankheit auf der Welt gibt, einschließlich Paralyse, Diabetes, Lepra, Epilepsie, Krebs, Asthma, die nicht durch die richtige medizinische Philosophie, gepaart mit der richtigen Lebenshaltung, ausgemerzt werden könnte:
„Wenn wir uns nicht durch Beten und Fasten heilen können, dann heißt das, unsere Vorstellung von Fasten wurden verdorben. Jesus heilte jede Krankheit durch den Glauben. Der Glaube ist nichts weiter als unaufhörliches Beten. Aber Beten in diesem Sinne darf nicht mit Betteln oder Flehen um persönlichen Vorteil verwechselt werden. Es ist vielmehr tiefe und unaufhörliche Meditation – andauerndes Versunkensein in die unendliche Gerechtigkeit und göttliche Ordnung des Universums.“
Dieses Prinzip vertrat Ohsawa auch für Herzleiden und Infektionskrankheiten sowie für psychiatrische Erkrankungen wie Schizophrenie und Verfolgungswahn. Als Rezept für alle Krankheiten empfiehlt er darüber hinaus eine strenge Befolgung der "Diät Nummer 7". Für verschiedene Erkrankungen gibt er konkrete Ernährungsratschläge. Nur im „äußersten Notfall“ hielt er eine “zweifelhafte Rettung“ durch „drastische Chirurgie“ für angezeigt.
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