ReLast - Klassik


Körper- und Muskelfunktion


Hintergrundwissen zu der Art und Weise wie der Körper mit Belastungen umgeht, wie er auf Energie-Überschuss oder Energie-Mangel reagiert, und wie er sich erholt.

Aerob und Anaerob

Die Begriffe Aerob und Anaerob beziehen sich auf die Energie-Bereitstellung im Muskel. Bei der Aeroben Energie-Bereitstellung wird die Energie durch Oxidation von Fettsäuren mit Sauerstoff bereit gestellt. Hierfür muss natürlich genügend Sauerstoff vorhanden sein. Steigt die Belastung weiter, und der Energie-Bedarf kann nicht mehr aerob bereit gestellt werden, muss Energie per Glycolyse erzeugt werden. Dabei entstehen Abfallprodukte (Milchsäure). Ferner geht der Körper eine Sauerstoff-Schuld ein, er arbeitet ohne die dafür notwendige Menge Sauerstoff weiter. Diese Schuld muss nach der Belastung ausgeglichen werden.

Diese Vorgänge sind vor allem im Ausdauersport relevant. Eine Tätigkeit im Bereich der aeroben Ausdauer kann theoretisch sehr lange aufrecht erhalten werden. Bei der aneroben Ausdauer kommt der Körper an seine Grenzen und muss irgendwann regenerieren. Wo die aerobe Belastung aufhört und die anerobe anfängt hängt, genau wie die benötigte Erholung, vom Trainings-Zustand ab. Wie viel Sauerstoff der Körper aufnehmen und transportieren kann und wie groß die maximale Sauerstoff-Schuld ist kann trainiert werden.

Anabol und Katabol

Anabol bezeichnet den Aufbau und Katabol den Abbau von Stoffen. So weit so einfach. Den Zusammenhang zur Ernährung kennen wir auch, wenn unsere Energiebilanz positiv ist baut der Körper auf, ist sie negativ baut der Körper ab.

Interessant wird es im Zusammenhang mit Sport. Tatsächlich führt eine intensive sportliche Belastung zu katabolen Zuständen. Der Körper verbrennt zuerst die schnell verfügbaren Energie-Quellen, also Kohlenhydrate und Glykogen im Muskel. Sind diese Reserven erschöpft, müssen sie wieder aufgefüllt werden. Dafür braucht der Körper aber Nachschub an Energie. Bleibt dieser aus, baut der Körper andere Zellen ab um die Lücken zu schließen. Es kann uns also passieren das wir nach dem Sport Muskeln abbauen, wenn wir uns nicht vernünftig ernähren.

Katabolismus ist tatsächlich die normale Reaktion des Körpers auf Belastung. Er baut an einigen Stellen ab um an anderen aufbauen zu können. Bei ausreichender Nährstoffzufuhr ist das nicht schlimm, die Belastung führt zu einer Superkompensation und wir bauen langfristig effektiv Muskeln auf. Bei nicht ausreichender Nährstoffzufuhr bauen wir ab. Was ja beabsichtigt sein kann. Unter dem Stichwort Fett verlieren betreiben wir einen geplanten Katabolismus.

Hungerstoffwechsel

Bei einer negativen Energiebilanz (oder wenn gar keine Energie zugeführt wird, im Folgenden Nulldiät genannt) ist der Körper gezwungen die benötigte Energie aus den Reserven zu decken. Diese Reserven sind aber nicht nur die Fettpolster die angelegt wurden. Tatsächlich greift der Körper in erster Linie auf Vorräte an Kohlenhydraten zurück. Danach werden die Vorräte an Proteinen verwendet. Erst an dritter Stelle werden Fettreserven genutzt.

Der erste Ansatzpunkt sind Kohlenhydrate und Glykogen aus Leber, Nieren und Muskeln. Dieser Vorrat beträgt etwa 1600 Kcal und ist dementsprechend schnell aufgebraucht. Der zweite Ansatzpunkt sind Proteine vor allem aus Muskeln. Hier werden im schlimmsten Fall (Nulldiät) bis zu 75g Muskeln pro Tag abgebaut. Der dritte Ansatzpunkt sind Fettreserven. Hier werden beim Ausbleiben von Kohlenhydraten (Nulldiät oder ketogene Diät) aus den Fettreserven in der Leber sogenannte Keton-Körper als Ersatzstoff gewonnen.

Eine Nulldiät ist in keinem Fall ratsam. Wer diese Strategie verfolgt hat nach spätestens einem Tag seine Glykogen-Vorräte aufgebraucht und beginnt jeden Tag Proteine abzubauen. Zum einen wollen wir keine Muskeln verlieren, weil die uns beim Sport helfen. Zum anderen brauchen wir Proteine im ganzen Körper, sogar für das Immunsystem. Ein solch rapider Abbau ist also absolut kontraproduktiv. Eine Nullddiät kann ernsthafte gesundheitliche Folgen nach sich ziehen.

Den Abbau von Fett zur Bildung von Keton-Körpern können wir uns auch ohne Nulldiät zunutze machen. Wenn wir uns mit einem leichten Energie-Defizit vorwiegend von Fett und Proteinen ernähren ist der Körper ebenfalls gezwungen Keton-Körper zu produzieren. Den Verlust von Muskelmasse (oder allgemein Proteinen) kann man durch vermehrte Zufuhr von Proteinen in Grenzen halten. Durch die Energie-Zufuhr über Fett ist der Körper nicht zu einem rapiden Raubbau gezwungen sondern kann sich langsam an das Energie-Defizit anpassen und seine Fettreserven aufbrauchen.

Abschließend lässt sich sagen: Wer Masse verlieren will kommt um einen Verlust an Muskelmasse auch nicht herum. Ein Energie-Defizit wirkt sich immer auf den ganzen Körper aus. Die unerwünschten Eigenschaften lassen sich durch Sport, Wachstumsreize und die richtige Ernährung ausgleichen. Ein gewisser Verlust wird aber unumgänglich sein.

Superkompensation

Unter Superkompensation versteht man die Tendenz des Körpers sich an Belastungen anzupassen. Also nach einer Belastung nicht nur die Energie-Speicher für die nächste Belastung zu füllen und eventuelle Schäden zu reparieren (Kompensation) sondern sich so anzupassen das er auf die gleiche Belastung beim nächsten mal besser reagieren kann (Superkompensation).

Der Ablauf ist etwa wie folgt: Der Körper versucht im Gleichgewicht zu bleiben und alle Funktionen und Zellen im Normalzustand zu wahren. Folgt nun eine ungewöhnliche Belastung, muss der Körper Arbeit verrichten. Das Herz-Kreislaufsystem arbeitet, Energie-Speicher werden gelehrt, Muskeln werden aktiviert und ermüden. Die verfügbare Leistung nimmt dabei immer weiter ab, bis zur Erschöpfung.

Nach der Belastung beginnt der Körper mit der Reaktion. Zuerst versucht er den vorherigen Status wieder zu erreichen. Er füllt die Energie-Speicher wieder. Wenn die Kompensation abgeschlossen ist, folgt die Anpassung. Um auf zukünftige Belastungen besser vorbereitet zu sein, baut der Körper etwas mehr wieder auf als er vorher hatte. Er passt sich an, verbessert den Kreislauf, legt mehr Wert auf den Sauerstoff-Transport, stärkt das Herz, erhöht den Blutfluss, verbessert die Energie-Speicher in den Muskeln. Das erhöht die Leistungsfähigkeit und lässt uns die gleiche Belastung in Zukunft leichter bewältigen. Wird die durch Superkompensation geschaffene Reserve allerdings nicht genutzt, wird sie im Laufe der Zeit wieder abgebaut.

Für dauerhafte Steigerung der sportlichen Leistung muss man sich diesen Effekt zunutze machen. Nach einem Training muss der Körper Zeit für die Regeneration haben, möglichst bis zur Superkompensation. Im optimalen Fall treffen wir den Scheitelpunkt der Superkompensation mit unserem nächsten Training, und bauen darauf wieder auf.

In der Praxis ist das natürlich schwierig und im Profisport streiten sich die Trainer seit Jahren darum. Tatsache ist das die Kompensation und Superkompensation von der Intensität der Belastung und dem Trainingszustand des Probanden abhängig ist. Gut trainierte Sportler regenieren schneller. Der Zeitraum in dem wir uns bewegen kann stark variieren. Bei einem Glykogen-Speicher-basierten Training kann die Kompensation nach 10 Stunden abgeschlossen sein und die Superkompensation wird eingeleitet, endet aber entsprechend schnell nach 24 Stunden schon wieder. Hier kann man schon zwei mal am Tag trainieren. Bei komplexen Belastungen kann die Kompensation 24 Stunden betragen und die Superkompensation erst nach 48 Stunden oder mehr abgeschlossen sein, hier lohnt sich Training am nächsten Tag. Sollte die Belastung so groß sein das Gewebe angegriffen wurde, bewegen wir uns bei mindesten 48 Stunden Kompensation (kann auch mal schnell eine Woche werden), und müssen demnach mindestens einen Tag Pause einlegen (bei schweren Schäden entsprechend mehr). In diesem Fall ist die Superkompensation allerdings auch ziemlich gering, das sollte also vermieden werden. Ein kleiner Muskelkater mag ja mal passieren. Wer bis zur Zerrung trainiert wird sich allerdings ziemlich sicher die Woche versauen.

Superkompensation Von Shmuel Csaba Otto Traian, CC BY-SA 3.0 (Quelle)

Übertraining

Zum Übertraining kommt es wenn der Körper keine Zeit für die Kompensation hat. Wenn nach einer Belastung zu früh erneut trainiert wird, und der Körper sich nicht regenieren konnte. Mit nicht wiederhergestellten Energie-Speichern geht es erneut in die Belastung. Hier kann der Körper nur noch abbauen. Er wird in einem katabolen Zustand gehalten. Langfristig kann das zu ernsthaften Schäden führen. Ein Fortschritt oder ein gesundheitlicher Nutzen ist hier nicht zu verzeichnen, ein Übertraining sollte auf jeden Fall vermieden werden.

Muskelwachstum

Wenn ein Muskel beansprucht wird, aktiviert der Körper nicht alle Muskelstränge gleichzeitig. Es wird ein Teil der Stränge aktiviert. Sobald diese ermüden, werden sie deaktiviert und andere Stränge übernehmen. Dies geht so lange reihum bis alle Stränge ermüdet sind. In diesem Fall kommt es zum Muskelversagen. Kurz vor diesem Punkt aktiviert der Körper die letzten Reserve-Stränge. Dabei handelt es sich um Muskelstränge die zwar vorhanden, aber nicht ernsthaft mit Energie versorgt sind. Diese Stränge sind in unserer Veranlagung zwar programmiert, wurden aber nie hinreichend genutzt und daher nur am Rande versorgt.

Durch die Aktivierung der Reserve-Stränge werden diese im Anschluss zu regulären Strängen umgebildet, also für die Zukunft als aktive Stränge betrachtet (siehe auch Superkompensation). Dieses Verhalten führt zum Muskelwachstum und zu gesteigerter Leistungsfähigkeit.


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